Brokkoli und andere Kreuzblütler-Gewächse stehen fast schon sinnbildlich für eine gesunde Ernährung, was sie wahrscheinlich vor allem ihren wertvollen Inhaltsstoffen, allen voran dem Sulforaphan verdanken. Zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen der modernen Gesellschaft zählen dabei Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen. Ob und wie genau Sulforaphan gegen diese Erkrankungen wirken kann, soll in diesem Artikel näher erläutert werden.

Sulforaphan gilt als wichtigster Inhaltsstoff des Brokkoli und wird für viele gesundheitliche Vorzüge dieses Gemüses verantwortlich gemacht. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes Isothiozyanat, dass beim Kauen des Brokkoli durch Kontakt mit dem pflanzlichen Enzym Myrosinase aus einem anderen Stoff, dem sogenannten Glucoraphanin entsteht (1,2). Sulforaphan ist dazu in der Lage, im Körper die Bildung von verschiedenen, protektiven Enzymen der antioxidativen Abwehr, Immunregulation und der Verstoffwechselung von Fremdstoffen zu fördern (3). Über diesen Mechanismus beeinflusst es zahlreiche Erkrankungen und bedingt wahrscheinlich das mit dem Verzehr von Kreuzblütlern einhergehende, reduzierte Risiko für Krebs (4), aber vor allem auch Diabetes (5) und Herzkreislauf-Erkrankungen (6).

Der Verzehr von Kreuzblütlern reduziert das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen und Diabetes

Der etwas sperrige Begriff der kardiometabolischen Erkrankungen beschreibt dabei das komplexe Zusammenspiel von metabolischen Erkrankungen wie Diabetes und erhöhten Blutfettwerten mit Erkrankungen von Herz und Blutgefäßen, wie der koronaren Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienz. Diese verschiedenen Krankheiten sind so eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich an so vielen Stellen, dass es in vielerlei Hinsicht mehr Sinn macht, diese als einen Gesamtkomplex mit gemeinsamen Ursprüngen zu betrachten, als einzelne Krankheiten mit streng getrennter Kausalkette. Allgemein kann man die Entstehung dieser Erkrankungen jedoch wie folgt zusammenfassen:

  • Jeder Mensch bringt ein individuelles Risiko für die Entstehung von Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen mit, basierend auf seinem genetischen Risiko und schwer bis gar nicht beeinflussbaren Faktoren wie kindlicher Prägung des Verhaltens oder Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung.
  • Auf Basis dieses “Grundrisikos” beeinflusst dann vornehmlich der Lebenswandel zusammen mit dem Alter, ob es zu einer Manifestation der Erkrankung kommt: Speziell Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen den Komplex der kardiometabolischen Erkrankungen, während vor allem Rauchen noch einmal zusätzlich das Herzkreislauf-Risiko steigert.
  • Eine ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel resultieren in einer gestörten Energie-Balance, was zur Einlagerung von Fettgewebe, vor allem im Bauchbereich führt. Dieses abdominelle Fettgewebe produziert zunehmend Entzündungsmediatoren und Hormone, was zu einem Zustand von chronischer Entzündung und oxidativem Stress im gesamten Körper führt.
  • Chronische Entzündungen, gepaart mit fehlender Bewegung führen zu einer verminderten Wirkung des Hormons Insulin, was man als Insulin-Resistenz bezeichnet, sowie einem gestörten Fettstoffwechsel in der Leber. Das Ergebnis sind ein krankhaft erhöhter Blutzuckerspiegel, erhöhte Blutfettwerte und vermehrte Fetteinlagerung in die Leber, was sich dann unbehandelt als Diabetes mellitus Typ 2 und Fettleber manifestieren kann.
  • Chronische Entzündungen und oxidative Prozesse führen außerdem zur Oxidation und dadurch krankhaften Veränderung der Blutfette, allen voran des “schlechten” LDL-Cholesterin.
  • Chronische Entzündungen, erhöhter Blutzucker, sowie erhöhte und abnorme Blutfettwerte führen dann zu einer gestörten Gefäßfunktion mit nachlassender Elastizität und Entstehung von arteriosklerotischen Plaques und Gefäßverengungen. Dadurch und zusätzlich begünstigt durch die hormonellen Störungen durch das Übergewicht, sowie Rauchen und Bewegungsmangel steigt außerdem der Blutdruck, was die mechanische Gesamtbelastung des Gefäßsystems erhöht.
  • Durch all diese Faktoren kommt es zu einer gesteigerten Belastung für das Herz, die Herzdurchblutung wird durch die Gefäßschäden schlechter und es kommt unter anderem bedingt durch chronische Entzündungen und erhöhten Blutzucker auch zu strukturellen Schäden direkt an den Zellen des Herzens. Zeitgleich steigt durch fast alle genannten Faktoren das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln, die Gefäße verstopfen können, was sich als Thrombose, Embolie, Herzinfarkt oder Schlaganfall äußern kann.
  • Das Endergebnis dieses Teufelskreises ist in den meisten Fällen eine chronisch und/oder akut entstandene Minderdurchblutung des Herzens, das dadurch schlechter pumpt, was man dann in letzter Konsequenz als Herzinsuffizienz mit deutlich reduzierter Lebenserwartung betrachten kann (7).

Sulforaphan wirkt den meisten „Zivilisationskrankheiten“ entgegen

Sulforaphan kann diesem Prozess nun an verschiedenen Stellen entgegenwirken, vor allem durch den bereits zuvor genannten Mechanismus der Förderung körpereigener antioxidativer und entzündungshemmender Prozesse. Eine erste Studie in diesem Kontext erschien 2004 und konnte den positiven Einfluss von Brokkolisprossen auf Blutmarker für oxidativen Stress und die Blutfettwerte zeigen (8).

Darauf aufbauend wurde in einer weiteren Arbeit die Wirkung von Brokkolisprossen gegen ein Placebo bei Typ-2-Diabetikern untersucht. Nach vier Wochen konnte man im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Abnahme von Markern für oxidativen Stress, einen Anstieg der antioxidativen Gesamtkapazität und eine Abnahme des oxidierten LDL-Cholesterins beobachten (9).

Sulforaphan hemmt oxidativen Stress und die Oxidation des LDL-Cholesterins

Andere Studien konnten demonstrieren, dass Kreuzblütler Entzündungsmarker im Blut senken. Navarro et al. untersuchten dazu den Effekt einer Kreuzblütler-reichen Ernährung gegenüber einer Kreuzblütler-freien Kontroll-Diät auf Entzündungsparameter im Blut. Sie konnten dabei eine Reduktion des entzündungsfördernden Interleukin-6 beobachten (10).

Ähnliche Ergebnisse konnten zwei weitere Studien von 2012 und 2019 erzielen, indem es ihnen gelang, bei Patienten mit Diabetes, bzw. Übergewicht eine Abnahme der Entzündungsmediatoren Interleukin-6, Tumor-Nekrose-Faktor-α und C-reaktivem-Protein zu erzielen (11,12).

Eine weitere Arbeit konnte zeigen, dass die Einnahme von Brokkolisprossen verglichen mit Alfalfasprossen zu einer signifikant reduzierten Aktivierung entzündungsfördernder Immunzellen führte (13). Und nicht zuletzt war es möglich, durch die Gabe von Brokkolisprossen die Ausscheidung entzündungsfördernder und mit Gefäßerkrankungen assoziierter Entzündungsmarker mit dem Urin zu reduzieren (14).

Sulforaphan hemmt chronische Entzündungen

Zwei weitere Arbeiten aus den Jahren 2012 und 2015 konnten darüber hinaus den Einfluss von Sulforaphan auf die Blutfettwerte weiter untermauern. So gelang es durch die Gabe von Brokkolisprossen nicht nur, wie bereits zuvor beschrieben, den Anteil des oxidierten und Gesamt-LDL zu senken, sondern auch die Triglyzeride zu reduzieren und das “gute” HDL-Cholesterin zu heben (15,16).

Sulforaphan verbessert die Blutfettwerte

Und nicht zuletzt konnte man zeigen, dass Sulforaphan bei Diabetikern die Insulin-Resistenz, den Nüchtern- und Langzeit-Blutzucker (= HbA1c) reduziert. Zuvor hatten die Autoren sich angeschaut, welche Gene in diabetischem Gewebe verstärkt aktiv sind und das Ergebnis mit der Signatur von 3800 verschiedenen Substanzen abgeglichen. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass Sulforaphan unter diesen das größte Potential zur therapeutischen Anwendung birgt, da es quasi genau jene Prozesse positiv beeinflusst, die bei Diabetes gestört sind (17,18).

Sulforaphan senkt erhöhten Blutzucker und reduziert Insulin-Resistenz

Fazit: Der Verzehr von Kreuzblütlern und Sulforaphan beeinflusst den Gesamtkomplex der kardiometabolischen Erkrankungen an verschiedenen Stellen. Dadurch kann der Entstehung von Diabetes und schwerwiegenden Herzkreislauf-Erkrankungen langfristig vorgebeugt werden.

Quellen

  1. Marino, M., Martini, D., Venturi, S., Tucci, M., Porrini, M., Riso, P., & Del Bo’, C. (2021). An Overview of Registered Clinical Trials on Glucosinolates and Human Health: The Current Situation. Frontiers in Nutrition, 8, 730906.
  2. Connolly, E. L., Sim, M., Travica, N., Marx, W., Beasy, G., Lynch, G. S., Bondonno, C. P., Lewis, J. R., Hodgson, J. M., & Blekkenhorst, L. C. (2021). Glucosinolates From Cruciferous Vegetables and Their Potential Role in Chronic Disease: Investigating the Preclinical and Clinical Evidence. Frontiers in Pharmacology, 12, 767975.
  3. Houghton, C. A. (2019). Sulforaphane: Its “Coming of Age” as a Clinically Relevant Nutraceutical in the Prevention and Treatment of Chronic Disease. In Oxidative Medicine and Cellular Longevity.
  4. Aune, D., Giovannucci, E., Boffetta, P., Fadnes, L. T., Keum, N., Norat, T., Greenwood, D. C., Riboli, E., Vatten, L. J., & Tonstad, S. (2017). Fruit and vegetable intake and the risk of cardiovascular disease, total cancer and all-cause mortality-a systematic review and dose-response meta-analysis of prospective studies. International Journal of Epidemiology, 46(3), 1029–1056.
  5. Jia, X., Zhong, L., Song, Y., Hu, Y., Wang, G., & Sun, S. (2016). Consumption of citrus and cruciferous vegetables with incident type 2 diabetes mellitus based on a meta-analysis of prospective study. Primary Care Diabetes, 10(4), 272–280.
  6. Zurbau, A., Au-Yeung, F., Blanco Mejia, S., Khan, T. A., Vuksan, V., Jovanovski, E., Leiter, L. A., Kendall, C. W. C., Jenkins, D. J. A., & Sievenpiper, J. L. (2020). Relation of Different Fruit and Vegetable Sources With Incident Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies. Journal of the American Heart Association, 9(19), e017728.
  7. de Oliveira Correia, E. T., Mechanick, J. I., Dos Santos Barbetta, L. M., Jorge, A. J. L., & Mesquita, E. T. (2022). Cardiometabolic-based chronic disease: adiposity and dysglycemia drivers of heart failure. Heart Failure Reviews. https://doi.org/10.1007/s10741-022-10233-x
  8. Murashima, M., Watanabe, S., Zhuo, X.-G., Uehara, M., & Kurashige, A. (2004). Phase 1 study of multiple biomarkers for metabolism and oxidative stress after one-week intake of broccoli sprouts. BioFactors (Oxford, England), 22(1–4), 271–275. https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biof.5520220154
  9. Bahadoran, Z., Mirmiran, P., Hosseinpanah, F., Hedayati, M., Hosseinpour-Niazi, S., & Azizi, F. (2011). Broccoli sprouts reduce oxidative stress in type 2 diabetes: a randomized double-blind clinical trial. European Journal of Clinical Nutrition, 65(8), 972–977.
  10. Navarro, S. L., Schwarz, Y., Song, X., Wang, C.-Y., Chen, C., Trudo, S. P., Kristal, A. R., Kratz, M., Eaton, D. L., & Lampe, J. W. (2014). Cruciferous vegetables have variable effects on biomarkers of systemic inflammation in a randomized controlled trial in healthy young adults. The Journal of Nutrition, 144(11), 1850–1857.
  11. Mirmiran P., Bahadoran Z., Hosseinpanah F., Keyzad A., Azizi F. Effects of broccoli sprout with high sulforaphane concentration on inflammatory markers in type 2 diabetic patients: a randomized double-blind placebo-controlled clinical trial. Journal of Functional Foods. 2012;4(4):837–841.
  12. López-Chillón, M. T., Carazo-Díaz, C., Prieto-Merino, D., Zafrilla, P., Moreno, D. A., & Villaño, D. (2019). Effects of long-term consumption of broccoli sprouts on inflammatory markers in overweight subjects. Clinical Nutrition (Edinburgh, Scotland), 38(2), 745–752.
  13. Nguyen, B. A., McDonald, G., Fiorentino, F., Reeves, B. C., Kwak, J., Pyo, S., Angelini, G. D., Anderson, J. R., Frost, G., Haskard, D. O., & Evans, P. C. (2017). Consumption of Broccoli Sprouts Attenuates Intracellular P38 Map Kinase and Reactive Oxygen Species Pro-Inflammatory Activation in Human Leukocytes: A Randomised- Controlled Trial. Journal of Clinical Nutrition & Dietetics, 03(04).
  14. Medina, S., Domínguez-Perles, R., Moreno, D. A., García-Viguera, C., Ferreres, F., Gil, J. I., & Gil-Izquierdo, Á. (2015). The intake of broccoli sprouts modulates the inflammatory and vascular prostanoids but not the oxidative stress-related isoprostanes in healthy humans. Food Chemistry, 173, 1187–1194.
  15. Bahadoran, Z., Mirmiran, P., Hosseinpanah, F., Rajab, A., Asghari, G., & Azizi, F. (2012). Broccoli sprouts powder could improve serum triglyceride and oxidized LDL/LDL-cholesterol ratio in type 2 diabetic patients: a randomized double-blind placebo-controlled clinical trial. Diabetes Research and Clinical Practice, 96(3), 348–354.
  16. Armah, C. N., Derdemezis, C., Traka, M. H., Dainty, J. R., Doleman, J. F., Saha, S., Leung, W., Potter, J. F., Lovegrove, J. A., & Mithen, R. F. (2015). Diet rich in high glucoraphanin broccoli reduces plasma LDL cholesterol: Evidence from randomised controlled trials. Molecular Nutrition & Food Research, 59(5), 918–926.
  17. Bahadoran, Z., Tohidi, M., Nazeri, P., Mehran, M., Azizi, F., & Mirmiran, P. (2012). Effect of broccoli sprouts on insulin resistance in type 2 diabetic patients: a randomized double-blind clinical trial. International Journal of Food Sciences and Nutrition, 63(7), 767–771.
  18. Axelsson, A. S., Tubbs, E., Mecham, B., Chacko, S., Nenonen, H. A., Tang, Y., Fahey, J. W., Derry, J. M. J., Wollheim, C. B., Wierup, N., Haymond, M. W., Friend, S. H., Mulder, H., & Rosengren, A. H. (2017). Sulforaphane reduces hepatic glucose production and improves glucose control in patients with type 2 diabetes. Science Translational Medicine, 9(394).