Wer sich mit dem Thema Ernährung etwas eingehender auseinandersetzt, wird schwerlich überrascht sein, dass der Verzehr von Brokkoli und anderen Kreuzblütlern mit einem reduzierten Risiko für diverse Erkrankungen assoziiert ist. Die wenigsten Menschen würden jedoch einen potenziellen Zusammenhang zwischen Brokkoli, bzw. seinem wertgebenden Inhaltsstoff Sulforaphan und der neuropsychiatrischen Erkrankung Schizophrenie vermuten.

Sulforaphan ist ein sogenanntes Isothiozyanat, ein schwefelhaltiges Molekül, dessen Vorstufe, das sogenannte Glucoraphanin vor allem in Brokkoli zu finden ist. Wird dieser gekaut, wandelt das pflanzeneigene Enzym Myrosinase das Glucoraphanin zu Sulforaphan um (1,2).

Sulforaphan entfaltet im Körper eine recht spezielle Wirkung, indem es einen sogenannten Transkriptionsfaktor namens Nrf2 (nuclear factor erythroid 2-related factor) aktiviert. Ein Transkriptionsfaktor kann dabei als Molekül verstanden werden, dass an der DNA steuern kann, welche Proteine eine Zelle verstärkt produziert. Auf diesem Weg kann Sulforaphan über den sehr zentralen Transkriptionsfaktor Nrf2 die Bildung von zahlreichen, protektiven Enzymen steigern, die unter anderem an der Bekämpfung von oxidativem Stress, der Verstoffwechselung schädlicher Fremdstoffe und der Reduktion von Entzündungen beteiligt sind (3).

Schizophrenie – Symptome, Ursachen und Behandlung

Schizophrenie beschreibt ein komplexes, neuropsychiatrisches Krankheitsbild, das manchmal auch eher als Gruppe verschiedener Krankheits-Entitäten verstanden wird. Verlauf und Prognose sind dabei sehr variabel, im Allgemeinen kommt es jedoch typischerweise im jungen Erwachsenenalter zu einer ersten Manifestation der Erkrankung. Die Symptome der Erkrankung können auf verschiedene Arten eingeteilt werden, wobei die Einteilung in Positiv- und Negativ-Symptome wahrscheinlich am besten etabliert ist. Des Weiteren ist eine Abnahme der kognitiven Leistung mittlerweile als Charakteristikum der Erkrankung anerkannt:

  • Positiv-Symptome: Symptome, die “zusätzlich” zum normalen Verhalten hinzukommen. Dazu zählen Wahnvorstellungen, Sinnesstörungen wie Halluzinationen oder sogenannte Ich-Störungen. Unter letzterem Begriff versteht man unter anderem das Gefühl, dass einem Gedanken entzogen oder eingegeben werden.
  • Negativ-Symptome: Symptome, die eher durch das Fehlen, oder den Rückgang von Verhaltensweisen gekennzeichnet sind, zum Beispiel Apathie, Aufmerksamkeitsstörungen oder die sogenannte Affektverflachung, bei der emotionale Reaktionen deutlich schwächer ausgeprägt sind als sonst.

Die Ursprünge der Erkrankung sind unklar, man geht jedoch mittlerweile von einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem organische Veränderungen im Gehirn zusammen mit psychischen und sozialen Faktoren zum Ausbruch der Krankheit führen. Die Risikofaktoren sind entsprechend vielfältig mit genetischen Einflüssen, frühkindlichen Hirnschäden, Infektionen der Mutter in der Schwangerschaft, Drogen und psychosozialen Traumata wie Misshandlung.

Im Gehirn der Patienten lassen sich verschiedene pathologische Veränderungen feststellen, die jedoch ebenfalls keine abschließenden, kausalen Hypothesen zur Krankheitsentstehung zulassen. So kommt es zu einer Abnahme des Hirnvolumens, der Größenzunahme sogenannter Liquorräume mit Spinal-Flüssigkeit (= Liquor) und Störungen in verschiedenen neuronalen Botenstoff-Systemen.

Obwohl diese Veränderungen charakteristisch sind, lassen sie keine sichere Diagnostik zu, weshalb diese primär anhand der Symptome erfolgt. Ist die Diagnose dann gestellt, wird meist mit einer Kombination aus Psychotherapie und sogenannten Antipsychotika begonnen, Medikamente, die vor allem auf den neuronalen Botenstoff Dopamin wirken (4).

Schizophrenie ist ein komplexes, neuropsychiatrisches und physiologisches Krankheitsbild

Nun stellt sich die Frage, inwiefern Sulforaphan bei dieser Erkrankung eine Rolle spielen könnte. Dazu lohnt es sich, sich zunächst einmal vor Augen zu führen, dass allgemeine Faktoren eines gesunden Lebenswandels, allen voran eine gesunde Ernährung und Bewegung, nachweislich einen großen Einfluss auf neuropsychiatrische Erkrankungen haben, indem sie unter anderem typischen Stoffwechsel- und Herzkreislauf-Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck entgegenwirken, aber auch bei Schizophrenie die krankheitsspezifische Symptomlast reduzieren. Es handelt sich dabei demnach um eine direkt und indirekt vermittelte Senkung der Gesamt-Krankheitslast des Patienten (5).

Über diese eher grundsätzliche Feststellung hinaus gibt es jedoch Grund zur Annahme, dass Sulforaphan auch ganz direkt in den Krankheitsprozess bei Schizophrenie eingreifen kann. So spielen neben den oben genannten Prozessen auch oxidativer Stress, Entzündungen und eine Dysfunktion der Mitochondrien eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Schizophrenie – alles Prozesse, auf die Sulforaphan Einfluss nehmen kann (6).

Aus diesem Grund wurde die Wirkung von Sulforaphan auf Schizophrenie in einer Reihe von Studien untersucht. Diese fanden zwar bis dato hauptsächlich an Mäusen statt, erbrachten jedoch bereits vielversprechende Ergebnisse:

  • Mäuse, bei denen man einmalig mit der Chemikalie PCP (auch als Droge “Angel dust” bekannt) Schizophrenie-Symptome auslöste, zeigten eine Abnahme der Symptome, wenn sie anschließend Sulforaphan bekamen (7).
  • Mäuse, die über mehrere Tage PCP bekommen hatten, bekamen entweder prophylaktisch Sulforaphan, bzw. Glucoraphanin zusammen mit der Chemikalie oder zeitlich versetzt Sulforaphan im Sinne einer therapeutischen Gabe. In allen drei Fällen kam es zu Verbesserung der Ergebnisse kognitiver Tests, sowie einer Abnahme pathologischer Veränderungen im Gehirn, in diesem Fall einer weniger starken Erhöhung des Markers für oxidativen Stress 8-hydroxy-2′-deoxyguanosin und einer weniger starken Abnahme von Parvalbumin (8). Beide Veränderungen zeigen eine deutliche Assoziation zu Schizophrenie (9,10).
  • Schwangere Mäuse, bei denen man durch die Gabe einer Chemikalie den Schizophrenie-begünstigenden Effekt einer mütterlichen Infektion imitierte, bekamen während der Schwangerschaft und des Stillens Glucoraphanin. Dadurch kam es ebenfalls zu einer Verbesserung der Ergebnisse kognitiver Tests und einer weniger starken Abnahme von Parvalbumin beim Nachwuchs (11,12).

Bei Mäusen mit Schizophrenie konnte Sulforaphan sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch erfolgreich eingesetzt werden

Diese vielversprechenden Ergebnisse wurden bis dato nur in kleinem Maße beim Menschen reproduziert. Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Sulforaphan bei Menschen mit Schizophrenie ist dabei, dass der Wirkstoff auch im Gehirn ankommt. Dazu konnte eine erste Studie demonstrieren, dass Sulforaphan die Konzentration des antioxidativen Enzyms Glutathion sowohl im Blut als auch in verschiedenen Hirnarealen steigert. Demnach kann Sulforaphan zur Steigerung der antioxidativen Abwehr im zentralen Nervensystem eingesetzt werden (13).

Eine erste, kleine Studie untersuchte daraufhin den Einfluss von Sulforaphan bei menschlichen Patienten mit Schizophrenie. Dazu bekamen 10 Patienten für acht Wochen dreimal täglich je 30mg Sulforaphan in Tablettenform. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden jeweils die klinischen Symptome und die kognitive Leistung bestimmt. Nach den acht Wochen konnte eine signifikante Verbesserung der kognitiven Leistung beobachtet werden (14). Diese Ergebnisse sollten jedoch aufgrund der geringen Probandenzahl und des Studiendesigns mit Vorsicht genossen werden, auch wenn eine weitere Studie ebenfalls eine Verbesserung der kognitiven Funktion, in diesem Fall jedoch bei älteren Menschen feststellen konnte (15).

Fazit

Sulforaphan birgt das Potential, modulierend in den Krankheitsprozess von Schizophrenie einzugreifen. Sowohl die biochemische Wirkungsweise als auch vorklinische Studien an Mäusen bestätigen dies. Die endgültige Reproduktion dieser Ergebnisse beim Menschen steht jedoch aus, bisherige Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden. Angesichts des allgemein gesundheitsförderlichen Einflusses von Kreuzblütlern (16-18) und deutlich fortgeschrittenerer Studienergebnisse in anderen Anwendungsbereichen (19-23) spricht jedoch wenig gegen einen Therapieversuch begleitend zum Standard-Therapie-Regime.

Quellen

  1. Marino, M., Martini, D., Venturi, S., Tucci, M., Porrini, M., Riso, P., & Del Bo’, C. (2021). An Overview of Registered Clinical Trials on Glucosinolates and Human Health: The Current Situation. Frontiers in Nutrition, 8, 730906.
  2. Connolly, E. L., Sim, M., Travica, N., Marx, W., Beasy, G., Lynch, G. S., Bondonno, C. P., Lewis, J. R., Hodgson, J. M., & Blekkenhorst, L. C. (2021). Glucosinolates From Cruciferous Vegetables and Their Potential Role in Chronic Disease: Investigating the Preclinical and Clinical Evidence. Frontiers in Pharmacology, 12, 767975.
  3. Houghton, C. A. (2019). Sulforaphane: Its “Coming of Age” as a Clinically Relevant Nutraceutical in the Prevention and Treatment of Chronic Disease. In Oxidative Medicine and Cellular Longevity.
  4. Jauhar, S., Johnstone, M., & McKenna, P. J. (2022). Schizophrenia. Lancet (London, England), 399(10323), 473–486.
  5. Fernández-Abascal, B., Suárez-Pinilla, P., Cobo-Corrales, C., Crespo-Facorro, B., & Suárez-Pinilla, M. (2021). In- and outpatient lifestyle interventions on diet and exercise and their effect on physical and psychological health: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials in patients with schizophrenia spectrum disorders and first episode of psychosis. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 125, 535–568.
  6. Klomparens, E. A., & Ding, Y. (2019). The neuroprotective mechanisms and effects of sulforaphane. Brain Circulation, 5(2), 74–83.
  7. Shirai, Y., Fujita, Y., & Hashimoto, K. (2012). Effects of the antioxidant sulforaphane on hyperlocomotion and prepulse inhibition deficits in mice after pcp administration. Clinical Psychopharmacology and Neuroscience: The Official Scientific Journal of the Korean College of Neuropsychopharmacology, 10(2), 94–98.
  8. Shirai, Y., Fujita, Y., Hashimoto, R., Ohi, K., Yamamori, H., Yasuda, Y., Ishima, T., Suganuma, H., Ushida, Y., Takeda, M., & Hashimoto, K. (2015). Dietary Intake of Sulforaphane-Rich Broccoli Sprout Extracts during Juvenile and Adolescence Can Prevent pcp-Induced Cognitive Deficits at Adulthood. PloS One, 10(6), e0127244.
  9. Goh, X. X., Tang, P. Y., & Tee, S. F. (2021). 8-Hydroxy-2’-Deoxyguanosine and Reactive Oxygen Species as Biomarkers of Oxidative Stress in Mental Illnesses: A Meta-Analysis. Psychiatry Investigation, 18(7), 603–618.
  10. Kaar, S. J., Angelescu, I., Marques, T. R., & Howes, O. D. (2019). Pre-frontal parvalbumin interneurons in schizophrenia: a meta-analysis of post-mortem studies. Journal of Neural Transmission (Vienna, Austria: 1996), 126(12), 1637–1651.
  11. Matsuura, A., Ishima, T., Fujita, Y., Iwayama, Y., Hasegawa, S., Kawahara-Miki, R., Maekawa, M., Toyoshima, M., Ushida, Y., Suganuma, H., Kida, S., Yoshikawa, T., Iyo, M., & Hashimoto, K. (2018). Dietary glucoraphanin prevents the onset of psychosis in the adult offspring after maternal immune activation. Scientific Reports, 8(1), 2158.
  12. Fujita, Y., Fujita, A., Ishima, T., Hirai, A., Suzuki, S., Suganuma, H., & Hashimoto, K. (2020). Dietary intake of glucoraphanin during pregnancy and lactation prevents the behavioral abnormalities in the offspring after maternal immune activation. Neuropsychopharmacology Reports, 40(3), 268–274.
  13. Sedlak, T. W., Nucifora, L. G., Koga, M., Shaffer, L. S., Higgs, C., Tanaka, T., Wang, A. M., Coughlin, J. M., Barker, P. B., Fahey, J. W., & Sawa, A. (2018). Sulforaphane Augments Glutathione and Influences Brain Metabolites in Human Subjects: A Clinical Pilot Study. Molecular Neuropsychiatry, 3(4), 214–222.
  14. Shiina, A., Kanahara, N., Sasaki, T., Oda, Y., Hashimoto, T., Hasegawa, T., Yoshida, T., Iyo, M., & Hashimoto, K. (2015). An Open Study of Sulforaphane-rich Broccoli Sprout Extract in Patients with Schizophrenia. Clinical Psychopharmacology and Neuroscience : The Official Scientific Journal of the Korean College of Neuropsychopharmacology, 13(1), 62–67.
  15. Nouchi, R., Hu, Q., Saito, T., Kawata, N. Y. D. S., Nouchi, H., & Kawashima, R. (2021). Brain Training and Sulforaphane Intake Interventions Separately Improve Cognitive Performance in Healthy Older Adults, Whereas a Combination of These Interventions Does Not Have More Beneficial Effects: Evidence from a Randomized Controlled Trial. Nutrients, 13(2).
  16. Aune, D., Giovannucci, E., Boffetta, P., Fadnes, L. T., Keum, N., Norat, T., Greenwood, D. C., Riboli, E., Vatten, L. J., & Tonstad, S. (2017). Fruit and vegetable intake and the risk of cardiovascular disease, total cancer and all-cause mortality-a systematic review and dose-response meta-analysis of prospective studies. International Journal of Epidemiology, 46(3), 1029–1056.
  17. Jia, X., Zhong, L., Song, Y., Hu, Y., Wang, G., & Sun, S. (2016). Consumption of citrus and cruciferous vegetables with incident type 2 diabetes mellitus based on a meta-analysis of prospective study. Primary Care Diabetes, 10(4), 272–280.
  18. Zurbau, A., Au-Yeung, F., Blanco Mejia, S., Khan, T. A., Vuksan, V., Jovanovski, E., Leiter, L. A., Kendall, C. W. C., Jenkins, D. J. A., & Sievenpiper, J. L. (2020). Relation of Different Fruit and Vegetable Sources With Incident Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis of Prospective Cohort Studies. Journal of the American Heart Association, 9(19), e017728.
  19. Bahadoran, Z., Mirmiran, P., Hosseinpanah, F., Hedayati, M., Hosseinpour-Niazi, S., & Azizi, F. (2011). Broccoli sprouts reduce oxidative stress in type 2 diabetes: a randomized double-blind clinical trial. European Journal of Clinical Nutrition, 65(8), 972–977.
  20. Mirmiran P., Bahadoran Z., Hosseinpanah F., Keyzad A., Azizi F. Effects of broccoli sprout with high sulforaphane concentration on inflammatory markers in type 2 diabetic patients: a randomized double-blind placebo-controlled clinical trial. Journal of Functional Foods. 2012;4(4):837–841.
  21. López-Chillón, M. T., Carazo-Díaz, C., Prieto-Merino, D., Zafrilla, P., Moreno, D. A., & Villaño, D. (2019). Effects of long-term consumption of broccoli sprouts on inflammatory markers in overweight subjects. Clinical Nutrition (Edinburgh, Scotland), 38(2), 745–752.
  22. Bahadoran, Z., Mirmiran, P., Hosseinpanah, F., Rajab, A., Asghari, G., & Azizi, F. (2012). Broccoli sprouts powder could improve serum triglyceride and oxidized LDL/LDL-cholesterol ratio in type 2 diabetic patients: a randomized double-blind placebo-controlled clinical trial. Diabetes Research and Clinical Practice, 96(3), 348–354.
  23. Armah, C. N., Derdemezis, C., Traka, M. H., Dainty, J. R., Doleman, J. F., Saha, S., Leung, W., Potter, J. F., Lovegrove, J. A., & Mithen, R. F. (2015). Diet rich in high glucoraphanin broccoli reduces plasma LDL cholesterol: Evidence from randomised controlled trials. Molecular Nutrition & Food Research, 59(5), 918–926.